Im deutschen Hochhaus-Bauordnungsrecht (z.B. LBO/M-HHR) werden hohe Gebäude (Fußbodenkante >22 m über Gelände) gesondert behandelt. Hochhäuser müssen u.a. eigene Feuerwehraufzüge vorsehen. So fordert etwa die Sonderbauverordnung NRW §103(1), dass „Hochhäuser Feuerwehraufzüge mit Haltestellen in jedem Geschoss haben“ müssen. Diese Feuerwehraufzüge benötigen eigene, feuerraumsichere Schächte und vorgeschaltete Brandgasdruck-Vorräume. Daneben verlangt das Hochhauskonzept in der Regel mindestens zwei weitere Personenaufzüge als Grundleitungssystem. Die technischen Anforderungen an Aufzugsanlagen stammen aus europäischen und nationalen Normen. DIN EN 81-72 definiert Zusatzanforderungen für neu errichtete Feuerwehraufzüge, die für Brandbekämpfung und Evakuierung unter Feuerwehreinsatz gedacht sind. DIN EN 81-73 legt fest, wie sich Personen- und Lastenaufzüge im Brandfall verhalten müssen, wenn sie mit einer Brandfallsteuerung ausgerüstet sind. Ziel ist es, „Menschen vor Gefahren durch Feuer, Rauch oder eingeschlossene Fahrkörbe zu schützen“. Kurz: Mit der ersten Brandmeldung muss eine programmierte Steuerung alle Aufzüge in einen definierten sicheren Zustand bringen. Zusätzlich verbindliche Regeln ergeben sich aus dem Arbeitsschutz- und Betriebssicherheitsgesetz (BetrSichV) und den darauf aufbauenden TRBS. So schreibt TRBS 3121 (Betrieb von Aufzugsanlagen) vor, dass der Betreiber gewährleisten muss, „dass die Befreiung von im Fahrkorb eingeschlossenen Personen zu jeder Zeit und in möglichst kurzer Zeit vorgenommen werden kann“ . Für den Aufzugsnotruf gilt DIN EN 81-28: Alarmmeldungen der Aufzugsnotrufeinrichtung müssen zu einer ständig besetzten Leitwarte bzw. Notrufzentrale führen.
Das betrachtete Beispiel ist ein Bürohochhaus (M-HHR relevant) mit hohem Personenaufkommen und gemischter Nutzung in der Sockelzone (Lobby, Gastronomie, Konferenzräume). Zentrale Risiken sind vertikale Rauchausbreitung über Schächte und Treppenräume, die komplexe Abschottung und zonenweise Rettungswege (ggf. Staffelung nach Gefahrenzonen). Die Aufzugsschächte müssen deshalb Rauchdichtigkeiten nach MVV/TB bzw. Landes-Vorschriften (z.B. E30/E90) aufweisen. Räumung und Entrauchung (RWA) sind hier eng verzahnt: Treppenräume und der Feuerwehraufzugsvorraum erhalten Rauchschutz-Druckanlagen (RDA), die über die Brandmeldeanlage (BMA) gesteuert werden. Beispiel: In einem vergleichbaren Gebäude wird über die RDA kontinuierlich Frischluft in den Treppenraum und den Feuerwehraufzug eingeleitet, bis mindestens 15 Pa Überdruck aufgebaut sind – ausgelöst automatisch durch die BMA. Die Zuluftgeschwindigkeiten betragen dabei z.B. ≥2,0 m/s im Treppenraum und ≥0,75 m/s im Feuerwehraufzug-Vorraum, gemessen bei geöffneter Tür. Die Ansteuerung dieser Systeme muss über Sicherheitsstrom (Notstrom) erfolgen (gem. DIN VDE 0100-560/710, DIN VDE 0108-100), damit bei Netzausfall Lüftung und Brandfallsteuerung funktionsfähig bleiben. Die Integration mit Löschanlagen (Sprinkler) erfolgt typischerweise über Alarmventilstation, die einen Brandfallmelder auf die BMA einspeist. Eine durchgängige Funkschnittstelle (BOS-Funk) im Gebäude sichert dem Feuerwehreinsatz wesentliche Kommunikation – dies muss geprüft und dokumentiert sein.
Brandfallsteuerung / Aufzugslogik
Die Brandfallsteuerung ist ein core element: Sie definiert, wie Meldergruppen über die BMZ Impulse an die Aufzugssteuerung und andere Systeme geben (Cause-Effect-Matrix). Nach DIN EN 81-73/-72 beispielsweise müssen bei Brandalarm alle Personenaufzüge umgehend zur Rückzugsetage fahren (hier EG; bei Brand im EG alternativ 1.OG). Auf der Rückzugsetage öffnen die Türen, Fahrten werden gestoppt (Stillsetzung) und Anrufe unbeantwortet, bis der Brand behoben ist. Ebenfalls gesperrt werden alle Rufannahmen und Fahrten in den betroffenen Brandabschnitt. Die Türen werden freigegeben nur im Rückzuggeschoss, alle anderen Fahrten unterbunden. Der Feuerwehraufzug erhält dagegen Priorität: Er schaltet auf Sicherheitsstrom um, bleibt einsatzbereit (Aufnahme eines Feuerwehrbefehls über das Brandschutzfeld im Vorraum) und schlägt nur an den vorgesehenen Haltestellen (jeder Stock, wie verlangt) an. Er wird so eingestellt, dass die Feuerwehrfahrt stets vorgeht (Rufannahme der Feuerwehr hat Vorrang). Die Programmierung muss klar definierte Unterzustände enthalten (z.B. Fahrt freigegeben, an Rückzugsetage, gestoppt, Feuerwehrbedienung aktiv, Feuerwehrfahrt).
Schnittstellen und Integration
Zentral ist die Kopplung BMA ↔ Aufzug ↔ RWA/Türen ↔ SAA (Sprachalarm). Die Brandmeldezentrale (BMZ) sendet nach DIN 14675 codierte Ausgänge zu den Aufzugssteuerungen (Brandfall-Relais, Sammelrückruf). Entsprechende Brandfallmeldergruppen (je Brandabschnitt, eindeutige Adressen) sind in der Brandfallmatrix samt Objekt-Nummer dokumentiert. Nach VDE 0833 sind diese Wirkfolgen prüfbar an Laufkarten und in der Erstinbetriebnahme zu verifizieren. So muss für jeden Brandabschnitt in der Matrix stehen: „Meldung dazu zieht Rückruf aller Aufzüge zur Etage X; Türöffnung nur dort; Türen ganz anderer Fluchtwege geschlossen halten; RWA ein/aus; SAA-Durchsage an betroffene Zonen; Priorität FE-Aufzug; Sicherheitsstrom zuschalten“ usw. Die Sprachalarmanlage (SAA/ELA) nach DIN VDE 0833-4 bzw. EN 54-16/-24 wird zonenweise aktiviert, um z.B. Evakuierungshinweise zu geben, nachdem bekannt ist, welche Bereiche betroffen sind. Wichtig ist auch die Abstimmung mit Türfestell-Anlagen (DIN 14677): Türen in Rettungswegen und an Aufzugsvorräumen müssen im Alarmfall in Ein-Schließ-Richtung verriegeln (Easy-to-open für Feuerwehr). Im Brandfall dürfen etwa Rauchschutztüren nicht offenbleiben (Fail-Safe-Betrieb ist hier umgekehrt programmiert). Die Gebäudeleittechnik (GLT) visualisiert alle relevanten Status: “Brand im Abschnitt X – Aufzüge zurückgerufen – RWA an – FE-Bedienung aktiv” etc., sowie Störungsmeldungen.
Organisatorische Abläufe
Der Aufzugsbetrieb im Brandfall erfordert klare Verfahren und Zuständigkeiten (nach TRBS 3121). Der Betreiber bzw. zuständige Ingenieur oder Techniker muss über schriftliche Betriebsanweisungen verfügen (Notfallkonzept, RACI) zur Personenbefreiung, Störungsbehebung und Rückstellung nach Brand. Die Notrufkommunikation (Aufzug → Leitstelle) ist sicherzustellen (nach EN 81-28 mindestens Zweirichtungs-Lautsprechverbindung). Die Türen im Anlieferungsbereich der Brandmeldezentrale (FSE, FSD) werden in Alarmen freigegeben, damit Feuerwehrfunkgerät oder Schlüsseldepots benutzt werden können. Es muss eine Feuerwehr-Laufkarten-Dokumentation existieren, in der die Brandfall-Abläufe und die Aufzugseinbindung beschrieben sind. Regelmäßige Schulungen (z.B. der Haustechnik für Abläufe, der Leitstelle für BMA- und Aufzugsalarme) sowie Ortsbegehungen mit der Feuerwehr (Dummy-Alarmübungen) sind sinnvoll.
Prüf- und Abnahmeprozeduren
Nach DIN 14675 sind bei Inbetriebnahme alle Schnittstellen und Programmeabfolgen abzuprüfen. Ein vollständiges Inbetriebnahmeprotokoll dokumentiert die Kausalkette: Brandsignal → BMZ → Relaiskontakte → Aufzugssteuerung → Rückruf/Abriegelung der Aufzüge → RWA/Türen → SAA. Dabei werden auch Fehlerfälle simuliert (z.B. Melderausfall, Stromverlust, Tempestfall). Die wiederkehrenden Prüfintervalle richten sich nach BetrSichV/TRBS 3121 (ZÜS-Hauptprüfung alle 2 Jahre, Zwischenprüfung einmal jährlich) und Normen wie EN 13015 (Wartung). Dabei werden auch Funktionstests mit der Feuerwehr (Fachfirma vs. Werkfeuerwehr) durchgeführt. Die Prüfprotokolle (inklusive Fotodoku) sind zu archivieren und im CAFM zu verwalten (Dokumentenlenkung, Versionsstände, Freigabetexte).
Hinweise und Best Practices
In bestehenden Anlagen (Altbaujahre beachten!) sind Nachrüstbestimmungen zu prüfen (Altgeräte ggf. RL_Ausnahme). Typische Mängellisten umfassen oft fehlerhafte RWA-Verkabelung der Schachtklappen, unklare Rückzugsetagen-Beschilderung oder Lücken in den Brandfallmatrizen. Best-Practice-Beispiele aus der Praxis betonen redundante Sicherheitsstromsysteme (z.B. USV plus Diesel), automatisierte Selbsttests der FAF (Fernalarmfunktionen) und klare Anzeigepiktogramme für Feuerwehreinrichtungen. Die Dokumentation sollte so aufgebaut sein, dass sie unmittelbar in CAFM/CMMS importiert werden kann (metadatenbasiert, z.B. CMDB-Objekte für Aufzüge, Brandmelderzonen, Medienschächte).